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Haushaltsrede der ÖDP im Rat der Stadt Lüdenscheid zum Haushalt 2023

von Claudius Bartsch, ÖDP Ratsmitglied der Stadt Lüdenscheid

Foto: Claudius Bartsch, ÖDP Ratsmitglied der Stadt Lüdenscheid

Foto: Claudius Bartsch

Haushaltsrede im Rat der Stadt Lüdenscheid zum Haushalt 2023

Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich verweise darauf, worauf Sven Haarhaus, unser Kämmerer, kürzlich ausdrücklich hingewiesen hat:

Über dem Haushalt der Stadt Lüdenscheid schwebt das Damoklesschwert: Es droht die Rückkehr zur Haushaltssicherung in 2023 aufgrund eines dann nicht ausgeglichenen Haushalts. Warum: Die Ausgaben der Stadt sind höher als die Einnahmen. Strukturell bedingten Ausgaben steht die Stadt ohnmächtig gegenüber. Mit Rechentricks und einem Verschieben werden solche Ausgaben "geparkt", tauchen in der Bilanz nicht auf, kann die Stadt über mehrere Jahrzehnte abbezahlen. All diese "Tricksereien" und solches Verschieben immer in der Erwartung von Wirtschaftswachstum.

Dieser Ohnmacht will der Kämmerer nicht ausgeliefert bleiben, mahnt zu Recht, indem er den Blick auf nicht strukturell bedingte Ausgbaben richtet. Der Hinweis des Kämmerers ist der Aufruf an die Politik, was in etlichen Bereichen bedacht werden möchte. Letzlich zu den Fragen: Wie kommen wir dahin, nicht von der Substanz zu leben? Was können und dürfen wir uns als Stadt leisten und was nicht?

Bund, Land und eben auch die Kommunen haben sich, und tun es weiter, in den letzten Jahrzehnten so "durchgetrickst" - auf Kosten von Menschen überall in der Welt, der Natur, des Klimas. Es ist ein Verfahren gemäß der Devise: - Augen zu und durch - und immer weiter so.

Plötzlich, seit einigen Monaten, scheinbar mit dem Ukraine-Krieg, die "Zeitenwende". Nur eine "Zeitenwende"?

Nein, es ist ein Umbruch, nicht nur eine Transformation, ein Umbau. Es ist in Wahrheit ein "sozial-ökologisch-ökonomischer Umbruch".
Dieser Umbruch ist so etwas wie eine Kulturwende. Dieser Umbruch ist die Herausforderung vor der wir stehen, der wir uns dringend stellen müssen.

Und dass nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine.

Wo stehen wir dabei als Stadt?

Wir, nicht als Stadt Lüdenscheid allein, wir alle, sind weiterhin im Modus des "Tricksens" und "Verschiebens". Bund, Länder, alle tun es. Diesen Modus müssen wir schnellstens beenden.
Denn: Hat sich, trotz "Zeitenwende", Klimakatastrophe, Pandemie, Krieg, überhaupt grundlegend etwas geändert, z. B. zum effektiven Klimaschutz?

In unserer Lebensweise? In unserem Verhalten?

Nein, hat es nicht. Alles bleibt weiter wie bisher. Darf es aber nicht. Der notwendige Umbruch geht nicht von heute auf morgen, ist schwer und keiner weiß, wie er ausgeht.


Was ist erforderlich?

  • Die Erkenntnis und das Anerkennen, dass die Menschheit mitten in der Klimakatastrophe ist, vor dem Genozid steht, davor steht, sich selbst auszulöschen.
  • Diese Erkenntnis und dieses Anerkenntnis sind im privaten und öffentlichen Bereich als absolut vordringlich anzusehen und alle Handlungen darauf zu beziehen.

Notwendig ist die Entwicklung einer Haltung von "genug" und "weniger". Die Erfahrung dabei, dass "weniger mehr ist", zur Zufriedenheit führt (Glücksforschung)

Die Beendigung eines permanenten Wirtschaftswachstums und Konsums. Der macht uns krank

Wir alle sind "Konsum-Junkies"; sollen und werden von der Wirtschaft dazu gemacht. Wir als Gesellschaft haben Jahrzehnte in vielerlei Hinsicht über unsere Verhältnisse gelebt.

Alles ist auf Wirtschaftswachstum und Konsum ausgerichtet. Dem Wirtschaftswachstum und dem Konsum ist alles geopfert worden, wird alles geopfert.
 

Daher:

Wir müssen zu einer Wirtschaftsweise kommen, in der Wohlstand ohne Wachstum (Postwachstumsökonomie) gelingt.

Einer Wirtschaftsweise, die dem Gemeinwohl dient. Einer Wirtschaftsweise nicht nur mit O-Wachstum, sondern, - (Minus)Wachstum (CO2 Reduzierung).

Das bedeutet: Abschied von der Industriealisierung.
Abschied von der Illusion eines "grünen Wachstums", weil "grünes Wachstum" nicht zur Reduzierung von CO2 führt.

Entscheidend ist das "weniger" und "genug".

Abschied von der Illusion, das Lüdenscheid von der "Industriestadt im Grünen" - zur "grünen Industriestadt" wird.

Die Menschheit steht vor der Frage: Leben oder Kapitalismus.

Die Umsetzung ist nicht einfach. Vor allem in Südwestfalen, der 3. stärksten Wirtschaftsregion in Deutschland, gewohnt, dass es über Jahrzehnte wirtschaftlich immer bergauf ging. Wo viele fleißige Menschen hart gearbeitet haben. Und nun soll das nicht mehr so sein? Ja, es darf nicht mehr so weitergehen.

Was ist, abgeleitet davon, konkret erforderlich für und in Lüdenscheid?

  • Der Weg des "Tricksens" und "Verschiebens", von uns allen, darf nicht weiter gegangen und muss grundlegend aufgegeben werden.
  • Die Stadt Lüdenscheid muss sparen
  • Eindringliche Sensibilisierung der Menschen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, nicht nur im Rathaus
  • konsequente Umsetzung des "Aktionsprogramm Klimaschutz"
  • Umsetzung und Förderung der Ziele der "Global Nachhaltige Kommune" (GNK)
  • Grundlegend muss stärker gefragt werden: Ist das, was wir wollen, wirklich erforderlich.
  • Kommunaler Ordnungsdienst (KOD): erscheint mir nicht erforderlich. "Law and order" Prinzip wird nicht wirksam sein. Erfolgversprechender erscheint mir eine gezielte Förderung im Jugendbereich.

Verkehrsbereich:

Wir müssen die Mobilätswende endlich voranbringen durch:

  • massiven Ausbau von Fahrradstreifen, Fahrradwegen, Fahrradstraßen, z. B. Knapperstraße - jetzt
  • Autos, Verbrenner und E-Autos, müssen raus aus der Innenstadt
  • kein Parkleitsystem - nicht erforderlich
  • massiver Ausbau des ÖPNV
  • Einsatz des Rates für den Stop des 6-spurigen Ausbaus der Rahmede-Talbrücke und der A 45, 4-spurig ist ausreichend. Der 6-spurige Ausbau ist im Hinblick auf die generell dringende "Mobilitätswende" ein Unterfangen, ein Irrsinn, dass der verkehrspolitischen Vergangenheit angehört. (Der Rat der Stadt Arnsberg hat am 7.12.22 mit 30 Ja-Stimmen beschlossen, den weiteren Ausbau der A 46 zu stoppen. Hemer, Menden, Balve erwägen dem zu folgen).
  • keine Aussetzung von "Umweltverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren" hinsichtlich der Rahmedetalbrücke, anderer Brücken und Fernstraßen, wie dies ein Gesetzesentwurf der CDU-Bundestagsfraktion u. a. vorsieht

Energiebereich:

  • massiver Ausbau von PV auf städtischen Liegenschaften
  • massiver Ausbau von Stecker PV - auch zur Sensibilisierung der Menschen: was ist Energie?
  • massiver Ausbau und Förderung dezentral erzeugter erneuerbarer Energie
  • Zusammenwirken der ENERVIE dabei mit Dritten in Partnerschaft und Förderung durch die Stadt
  • massive Umsetzung des "Aktionsprogramm Klimaschutz"
  • massive Umsetzung der Ziele der "Global Nachhaltige Kommune" (GNK)
     

Dem Kämmerer und den MitarbeiterInnen der Kämmerei meine Anerkennung für deren Arbeit. Ich kann wahrscheinlich nur ahnen, was es bedeutet, einen Haushalt aufzustellen.

Trotz nicht befriedigender Ergebnisse in einigen Bereichen, stimme ich dem Haushalt zu.

Gleichzeitig bitte ich und rufe eindringlich dazu auf, den Blick auf die völlig veränderten Herausforderungen zu richten und das Handeln danach auszurichten.

Claudius Bartsch,
ÖDP Ratsmitglied im Rat der Stadt Lüdenscheid

Lüdenscheid, 12.12.2022

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